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Scheitern und doch standhaft bleiben

Akzeptanz als Grundlage einen gesunden Umgang mit sich und anderen in unruhigen Zeiten

 

Gerade in diesen Zeiten mit Covid, Russland-Krise und all den persönlichen Herausforderungen, die noch dazu kommen, hilft uns die Meditation weiter zu machen, um mit dem täglichen Leben verbunden zu bleiben.

Nur allzu gerne würden wir in schwierigen Zeiten die Meditation dazu nutzen, um abzuschalten und zu vergessen. Aber ist Abschalten Meditation? Da müssen wir Meditationslehrer ganz klar „Nein“ sagen. In der Meditation gibt es viele Stufen der persönlichen Entfaltung und Entwicklung. Das tiefe Versinken und Vergessen gehören nicht dazu, werden eher als Nicht-Meditation bezeichnet oder als Unterstufen der Meditation. Denn nur eine Meditation, die in den Alltag führt macht Sinn! Doch wie damit umgehen, wenn der Alltag mehr Leid bringt als Freuden?

In der formalen Meditation, also im Übungsraum, machen wir verschiedene Erfahrungen, die uns dabei helfen mit leidvollen Erlebnissen, wie Scheitern, Krankheit und Umständen außerhalb unseres Einflusses gut umzugehen. Eine der hilfreichen Erfahrungen, die wir dabei machen ist die Akzeptanz mit dem was gerade ist. Akzeptanz scheint für einige Menschen nur schwer umsetzbar. Diese stellen sich häufig die Frage: „Wie soll ich akzeptieren, wenn mich starkes persönliches Leid trifft?

 

In der Meditation durchlaufen wir oft verschiedene Stufen der Akzeptanz. Diese gehen von der Nicht-Akzeptanz bis hin zur radikalen Akzeptanz. Wir können das Erfahren von Akzeptanz in fünf Stufen aufteilen aber dazu erst eine kleine Geschichte:

 

 

Das Gasthaus von Rumi

 

Das menschliche Dasein ist wie ein Gasthaus
Jeden Morgen ein neuer Gast.

 

Freude, Depression und Scheitern, auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit kommen als unverhoffte Besuche.

 

Begrüße und bewirte Sie alle! Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist, die gewaltsam dein Haus seiner Möbel entledigt, selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll.

 

Vielleicht reinigt er deine dunklen Gedanken,

 

die Scham, den Neid,

 

 für neue schöne Wonnen.

 

Begegne Ihnen lachend an der Tür und lade sie zu dir ein.

 

Sei dankbar für jeden der kommt,

 

denn alle sind zu deinem Geleit geschickt worden aus einer anderen Welt

 

 

Manchmal sind wir jedoch nicht bereit diese unangenehmen Besucher herein zu lassen. Die Kunst der Akzeptanz ist es, sich diesen unangenehmen Gefühlen und Empfindungen, die durch schwierige Situationen entstanden sind stufenweise zuzuwenden. Wir können dabei in Etappen vorgehen:

 

  1. Widersetzten – Das was uns widerfährt, durch eine Vielfalt von Strategien, wie Konsum, Alkohol o.ä., verdrängen. Verdrängen von Gefühlen
  2. Erforschen – Wir wenden uns dem Unbehagen mit Neugier zu. 
  3. Aushalten – Wir bleiben standhaft, sind bereit das Unbehagen zuzulassen.
  4. Zulassen – Gefühle mit all ihrer Dynamik kommen und gehen lassen. Gefühle im Körper spüren.
  5. Anfreunden – Den Wert dieser Erfahrung erkennen. Sich mit dem Gefühl hinsetzten, um zu hören, was es mir zu sagen hat.

In der formalen Meditation erlernen wir, uns stufenweise selbst zu begegnen. Es findet somit ein Kennenlernen und Wahrnehmen unserer Gefühlswelt statt.
Wenn wir das oft genug eingeübt haben, können wir in realen und anspruchsvollen Lebenssituationen diese Form der Akzeptanz und des Zuwendens anwenden.
Wir können somit lernen, leidvolle Erfahrungen im ersten Schritt anzunehmen, um dann zu schauen, was es in der entsprechenden Situation braucht, um uns selbst emotional zu regulieren. Wir erlernen, mit der schwierigen Emotion in den Dialog zu gehen, bleiben dabei handlungsfähig und steigen somit aus der Opferrolle aktiv aus. Entsprechend gehen wir in einen bewussten und förderlichen Umgang mit der Emotion,  anstelle einer unbewussten Reiz-Reaktions-Handlung.

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Kommentare: 2
  • #1

    Sylvia (Mittwoch, 02 Februar 2022 16:14)

    Danke, das ist ein wunderbarer und wohltuender Beitrag zur aktuellen Situation bei uns und auf der Welt überhaupt. Diese aktuelle Situation dauert nun schon das 2. Jahr an und wurde noch gesteigert. Uns fehlt der Glaube tief in uns, dass es schon gut kommen wird und dass wir daraus lernen können. Eben dieses Hineinhorchen in unser Innerstes wahres Sein, dort diese Ruhe und Zuversicht zu spüren und daraus Kraft zu tanken für das richtige Handeln im Aussen nennt man Resilienz, wenn ich es richtig verstehe. Das hat nichts mit Schönrederei oder gar Verdrängung zu tun. Wir sind uns trotzdem der Ernst der Lage bewusst aber wir bleiben im Gleichgewicht, wägen ab und sind entscheidungsfähig und handlungsfähig. Manchmal gibt es natürlich Augenblicke, wo uns allen dies wieder abhanden kommt. Eben dann sollte man wissen, wie ich wieder in mein Gleichgewicht komme; z.B. mit Innehalten, Meditation und auf unsere innere Stimme oder unser Herz hören. Wenn die Pandemie endlich vorbei ist, haben wir noch einmal die Chance auf dieser Welt (Umgang miteinander, Natur, Umwelt, Wirtschaft, Finanzen, Soziales, Gesundheitspflege jedes einzelnen) alles besser zu machen.

  • #2

    Ingrid (Freitag, 04 Februar 2022 12:21)

    Vielen Dank für den bereichernden Text!

    Leidvolle Erfahrungen und der Umgang damit, wenn die Emotionen einen zu überwältigen drohen, das geht tatsächlich auch meiner Erfahrung nach zum einen über die Anerkennung der sich gerade in einer Situation oder Erfahrung zeigenden Realität und zum anderen über die Akzeptanz der Gegebenheiten.

    Das ist nicht leicht. Ich durfte aber schon öfter die Erfahrung machen, dass diese Form des "Trainings" hilfreich ist.

    Ganz konkret bin ich in Corona-Zeiten in einer engen Freundschaft damit konfrontiert gewesen, wie schwer es für mich auszuhalten ist, wenn eine ganz andere Welt- und Deutungssicht auf das Virus und den politischen Umgang damit besteht.
    Lange habe ich versucht, durch Dialog eine Brücke zu schlagen. Dies ist mir nicht gelungen.
    Hier in die Frage zu gehen, was noch an Schnittmenge der Freundschaft bleibt, wenn für mich wichtige Werte und Überzeugungen nicht (mehr) geteilt werden, hat mich viel Kraft gekostet und ich dachte, ich könne mit einer kleinen, sich immer mehr verkleinernden Schnittmenge leben.
    Heute erkenne ich, dass ich aktzeptiere, wie die innige Freundin denkt und lebt, dass aber diese Akzeptanz für mich auch eine natürliche Konsequenz hat.
    Es geht um mehr als eine lebbare Schnittmenge, es geht um (m)eine Haltung.
    Ich stehe ganz zu mir und meinen Werten bezüglich Demokratie und dem Vertrauen in die Wissenschaft und gehe in die Selbstfürsorge.
    Somit habe ich nun meinen momentanen Rückzug aus der Freundschaft ohne Schuldzuweisungen mitgeteilt und lebe dadurch letztlich einen guten Umgang mit mir. Selbstmitgefühl als Konsequenz der Akzeptanz beinhaltet in diesem Fall die natürliche Konsequenz der Abgrenzung nach 2 Jahren Bemühen um einen Brückenschlag, um mich selbst zu schützen.
    Offen bleibt, ob irgendwann eine liebevolle Begegnung wieder möglich ist. Ich wünsche es mir.